Mittwoch, 11. Januar 2012

Die Ferien der Madame E. - Teil 1

Kennt ihr das auch, dass die kleine Stimme in eurem Kopf euch immer weiter antreibt, auch wenn ihr schon längst keine Kraft mehr habt? Meine kleine Stimme ist sehr sehr penetrant, sie gibt selten Ruhe. Eigentlich nie. Sie treibt mich oft an meine Grenzen und darüber hinaus.

Im letzten Drittel 2011 war ich irgendwann so weit, der kleinen Stimme "Halt die Klappe!" zuzurufen und über einen richtigen Urlaub nachzudenken.

Erst dachte ich an eine Woche.
Dann an zwei Wochen.

Im Herbst passierten in meinem Umfeld einige sehr häßliche Dinge, die mich dazu brachten, über mein Leben nachzudenken und darüber, dass ich meine Kraft besser einteilen sollte.

Und dann... ja, dann beschloss ich, den ganzen Januar freizunehmen.
Einfach so. Sollte mich mal gern haben, die Welt da draußen!

Wo könnte ich richtig Ruhe finden?
Wo wäre ich "aus der Welt"?

Als ich im Oktober in Gengenbach war, stand ich dort kurz im Innenhof des ehemaligen Klosters. Die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlte, bestätigte mich darin, dass DAS genau der richtige Platz wäre, um wieder zu mir zu kommen.

Kloster St. Trudpert
In den folgenden Wochen suchte ich nach einem passenden Kloster, dachte über eine Woche Schweigen und Fasten nach und am Ende fiel mir St. Trudpert im Münstertal ein.

Ich schrieb kurz vor knapp eine Anfrage, ob denn ein Zimmer für mich frei sei.

Hier ergab sich schon das erste "Problem": Wie spricht man Nonnen richtig an?
Ok, das war schnell gelöst, sie sind "Schwestern".

Als die Antwort kam, stand ich vor der nächsten Frage, denn diese Schwester hatte mit Vornamen + Nachnamen unterschrieben. Geben die nicht alles "Weltliche" ab, wenn sie den Schleier nehmen, auch den Nachnamen? Hm.

In meinem Kopf tummelten sich diverse Bilder aus allerlei Filmen und Büchern.
So zum Beispiel das von einem riesigen, weißen, kargen Speisesaal (einziger Schmuck: natürlich ein Kreuz) mit einem riesigen, blankgeschrubbten Holztisch. Selbstverständlich würde vor dem Essen gebetet und die Gäste hätten sich an sämtliche Tischregeln zu halten (beten! schweigen!). Das Essen wäre... nicht unbedingt Wasser und Brot, aber halt *einfach*, eine Suppe, ein Stück Brot. Oder so.

Als ich losfuhr, war ich tatsächlich ein wenig aufgeregt.
Ich bin nicht gläubig und ich war nie katholisch.
Ich fuhr also in ein fremdes Land, dessen Regeln und Gesetze ich nicht kenne... aufregend... spannend...

Im Kloster angekommen, wurde ich von der zuständigen Schwester empfangen und bekam den Schlüssel zu meinem Zimmer. Ich wurde gefragt, ob ich noch Mittagessen wollte, dann bekam ich die Essenszeiten mitgeteilt und dass der Speisesaal (aaaahhhh, der große, weiße Saal mit dem blankgeschrubbten Tisch!) im Haus St. Joseph gegenüber sei.

Ich zog einen ausgedehnten Nachmittagsspaziergang (naja, eigentlich war es ein Gewaltmarsch im Stechschritt den Berg hoch...) vor und erschien erst zum Abendessen, dafür aber mit einem Riesenhunger. Ob die Suppe...? Und das Brot...?

Im Haus St. Joseph wiesen die netten Schwestern am Empfang mir den Weg zum Speisesaal und hießen mich willkommen.

Jetzt endlich würde ich ihn also sehen, den großen, weißen, kargen ... äh...
Dieser Speisesaal sah ja extrem gemütlich aus!
Außerdem herrschte ein ordentlicher Geräuschpegel, denn alle Tische waren besetzt und alles schwatzte munter durcheinander. Wie ihr euch denken könnt, war das Abendessen alles andere als auf dem Niveau von "Wasser und Brot".
War das etwa ein verkapptes Wellnesskloster hier?
Gut, ein Kreuz hing an der Wand. Aber sonst war das ganz schön weltlich hier.
Gebetet wurde auch nicht, zumindest nicht im Speisesaal.

Ich bewegte mich dennoch vorsichtig durch das unbekannte Territorium und war am ersten Abend meinen Tischnachbarn gegenüber sehr zurückhaltend. Erstmal alles beobachten.

Im Kloster wird sehr wohl gebetet und zwar ganz schön oft.
Der Tagesablauf der Schwestern sieht so aus (entnommen dem "Kloster auf Zeit"), ich nehme an, dass jede ihre festen Aufgaben hat:

6.15 Laudes und Eucharistiefeier
7.15 Frühstück
8.00 Einteilung zu einer hauswirtschaftlichen Arbeit
11.45 Mittagsgebet
12.00 Mittagessen mit dem Schwesternkonvent
Ruhephase
15.00 Nachmittagskaffee
15.30 Gespräch / Anbetung / Stille Zeit
18.00 Rosenkranz
18.30 Vesper und eucharistischer Segen
19.00 Abendessen
20.20 Komplet
Nachtruhe


Puh, jeden Tag des Jahres so früh aufstehen...

Es stellte sich heraus, dass meine Tischnachbarn während ihres Urlaubs genau das taten und zwar jeden Morgen. Die einzige Ausnahme war der 6.1. (Heilige Drei Könige), wo der Gottesdienst zu einer humanen Zeit stattfand, nämlich um 9.

Mein eigener Tagesablauf sah völlig anders aus:
  • 7.30 aufstehen
  • hoffen, dass die Dusche frei ist (da ich so spät dran war, hatte ich "nur" ein Zimmer mit Etagendusche)
  • Frühstück
  • danach mindestens 2 Stunden laufen, egal ob Regen oder Sonne oder Nebel oder Schnee
  • je nach Uhrzeit gleich zum Mittagessen, oder vorher stricken
  • je nach Verfassung nach dem Mittagessen stricken, lesen, schlafen, schreiben oder nachdenken, oder alles nacheinander in beliebiger Reihenfolge
  • Kaffee trinken
  • stricken, lesen, schlafen, schreiben oder nachdenken, oder alles nacheinander in beliebiger Reihenfolge
  • Abendessen
  • stricken, lesen, schlafen, schreiben oder nachdenken, oder alles nacheinander in beliebiger Reihenfolge
  • am nächsten Tag wieder von vorne anfangen.
Ganz schön langweilig, oder?
Mir war überhaupt nicht langweilig, nicht eine Sekunde.

Nach ein paar Tagen legte sich das unangenehme "Rauschen" im Kopf und Ruhe stellte sich ein.

Noch ein paar Tage später konnte ich mich wieder auf etwas konzentrieren, klare Gedanken fassen und ich war nicht mehr alle 3 Stunden todmüde.

Die Ruhe um mich herum, das gute Essen und der regelmäßige Tagesablauf waren Erholung pur. Ich fühlte mich total wohl.

Am Abend des 6.1. passierte etwas, das mir klarmachte, dass ich nicht "dazugehöre". Als ich in meinem Zimmer saß, hörte ich draußen vor dem Haus "Vom Himmel hoch..." und dachte mir "Weihnachten ist doch vorbei!?"

Kurz darauf hörte ich im Haus Gesang und dann kam mir "ach, die Sternsinger!" Als ich aus meinem Zimmer kam (es ging Richtung Abendessenzeit) warf mich der Weihrauchgeruch draußen fast um *hust*

Und als ich aus dem Haus ging, kamen aus dem Haus gegenüber mehrere Schwestern und ein Priester, und stimmten "Stille Nacht" an. Ich hatte da das einzige Mal das Gefühl, zu stören...

Am Vortag hatte ich die Sternsinger schon durchs Dorf ziehen sehen, so richtig, wie man sich das vorstellt, mit Verkleidung und allem Pipapo. Und einem dicken Leiterwagen voller Süßigkeiten. Ich nehme aber mal an, dass die nicht fürs Jesuskind waren...
Alle Häuser, an denen ich vorbeikam, hat auf der Haustür *20 C + M + B 12* stehen. Hier kann ich jetzt doch mal mit etwas Wissen prahlen. CMB steht nicht für die Namen der Heligen (Caspar, Melchior, Balthasar) sondern für "Christus Mansionem Benedikat", also für "Christus segne dieses Haus". So.

Im Lauf der Woche mit nahendem Ende der Schulferien leerte sich der Speisesaal immer mehr. Als ich zurückfuhr, waren wir noch 5 Frauen.

Ach, das war auch so eine Sache, die nicht in mein Bild passte. Im Kloster sind Männer als Gäste willkommen, klar, die Priester sind auch Männer. Aber dennoch... vielleicht bin ich ja päpstlicher als der Papst...

Was ich aus dieser Woche mitnehme ist, dass die Frauen dort eine unglaubliche Ruhe und Würde ausstrahlen, ohne entrückt zu wirken. Da hängt schon mal ein Handy am Gürtel und die aktuellen Tageszeitungen liegen nicht nur aus, sie werden auch gelesen. Die Schwestern stehen mitten im Leben, sind aber dennoch in ihrer eigenen Welt.

So richtig viel weiß ich nicht über das Kloster.
Ich habe mich tatsächlich ein bisschen geschämt, dumme Fragen zu stellen, wie warum die Schwestern mal Grau und mal Schwarz tragen, oder einige ganz in Weiß gekleidet sind.
Und die Sachen mit dem Ablegen alles Weltlichen. Wie ist das mit dem eigenen Besitz? Was dürfen sie für sich selbst besitzen? Welche Bücher lesen? Welche Filme sehen? Oder überhaupt Filme sehen, die keine christlichen Inhalte haben? Dürfen sie Auto fahren? Haben sie auch mal Urlaub? Und wenn ja, dürfen sie da hinfahren, wohin sie wollen? Fragen über Fragen.

Tja... das war der erste Teil meines Urlaubs.

Doro wäre nicht Doro, wenn es nicht noch etwas Action gäbe, aber da müsst ihr euch ein bisschen gedulden.

Passt auf euch auf, gönnt euch Ruhe und Urlaub!


Eure Doro von my-meerkat und klamottenlabel

9 Kommentare:

  1. Das klingt und liest sich richtig gut ;-)))

    ...war selbst schon sehr oft im Kloster-WE-Urlaub - in NOTGOTTES bei Rüdesheim - und habe es mit Leib, Seele und Sinnen genossen:

    Der Mensch sollte alle seine Werke zunächst einmal in seinem Herzen erwägen, bevor er sie ausführt.
    Hildegard von Bingen *♥knuddel*

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  2. Kante, das klingt unglaublich gut und ich wünsche Dir, dass Du davon auch etwas für Dich lange bewahren kannst.

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  3. ...ich habe Deine Erzählung "wie ein Löschblatt aufgesaugt"...klingt eventuell etwas merkwürdig, ist es aber nicht!
    Fast hat man den Eindruck "mit von der Partie gewesen zu sein."
    Es hat den Anschein, dass diese 1 Woche Urlaub Dir mehr als gut getan hat.
    Wenn auch der erste Tag wieder zuhause, etwas stressig war. Ich denke dennoch die innere Ruhe, also das Du in Dir ruhst wird sicher noch eine ganze Weile andauern♥

    Nun freue ich mich schon sehr, auf den 2.Teil Deiner Erzählung, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt. ;)))

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  4. ... nach dem 27. geht`s weiter mit dem Kontrastprogramm, ich bereite mich gerade drauf vor.

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  5. Ich dachte, alle Nonnen fahren eine Ente :)
    Vielen Dank für den intensiven Einblick in deine "Auszeit".

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  6. wie unglaublich anregend! Gut, dass Du davon so anschaulich zu berichten weißt!
    Danke!

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  7. Klingt super erholsam. Bin auch mal auf das Kontrastprogramm gespannt... Hehe...

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  8. Doro, das klingt sehr nach "sollt ich auch mal probieren" Hab bis jetzt immer nen bogen um Klöster gemacht, aber so wie du es beschreibst glaub ich währ das auch was für mich...
    Dankeschön

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  9. Ich denke, es kommt sehr auf das Kloster an, sollte man sich vorher unbedingt ein bisschen angucken. Es gibt auch welche, wo es "Pfichtprogramm" gibt, darauf hätte ich jetzt gar keine Lust gehabt.

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Wer schreibt, bleibt!