Ich bin eigentlich niemand, der Sachen auf dem Sperrmüll sucht. Einmal
abgesehen davon, dass es den Sperrmüll wie früher schon lange nicht mehr
gibt, bei dem man allein oder in Gruppen nachts um die Häuser zog und
aus einem Haufen Sachen vielleicht etwas Interessantes ziehen konnte.
Mein Freund und sein Mitbewohner lieben Sperrmüll, sie finden auch immer
wieder mehr oder weniger interessante Schätze. Vorletzten Winter habe
ich meinen ersten Sperrmüllfund gemacht. Um die Ecke war wohl der
Keller oder die Wohnung von jemandem aufgelöst worden und diverse noch
recht neu wirkende Gegenstände standen am Straßenrand. Unter anderem ein
Rollkoffer. Mit Blick auf eventuelle Koffermärkte im neuen Jahr nahme
ich ihn mit. Er war wirklich fast neu, muffelte nicht und hatte auch
keine "Bewohner". Benutzt habe ich ihn seither genau einmal eben für
einen Koffermarkt, seitem schlummert er im Keller und wartet auf seinen
nächsten Einsatz. Ich denke, ich werde ihn ein wenig aufpeppen, so dass
er nicht mehr wie ein Rentnerkoffer aussieht.
Schon länger möchte ich mich mit dem Aufarbeiten und Polstern von
alten Sitzmöbeln beschäftigen. Vielleicht wird es einmal nötig sein, die
Sitze im Hillmann Minx (Baujahr 1947) von meinem Freund aufzuarbeiten
und dann kämen Polsterkenntnisse gelegen. Vorher wollte ich erstmal ein
paar unschuldige Stühle oder Sessel maträtieren, bevor ich mich an so
etwas heranwage. Aber das ist eine andere Geschichte.
Um den Jahreswechsel herum begann ich, nach Cocktailsessel zu
suchen. Im Internet findet man einige, aber die sind entweder schon
aufgearbeitet, zu teuer oder man bekommt sie als "nur Abholung" in 700
km Entfernung. Nach einigen Monaten mehr oder weniger intensiver Suche
hakte ich den Sessel ab und vergaß das Projekt erst einmal. Bis... bis
zu diesem Abend, als ich mit dem Rad zu meinem Freund unterwegs war und
500 m vor seinem Haus aus dem Augenwinkel etwas sah. Da stand ER! Ein
Cocktailsessel. Es war schon recht dämmerig, ich konnte nur erkennen,
dass er nicht sonderlich zerschlissen aussah. Mit Hilfe von Freund und
Mitbewohner bargen wir den Sessel. Der Bezug war scheußlich,
aprikotfaben mit einem nicht defnierbaren geometrischen Muster. Außerdem
hatte er am unteren Rand eine rüschige Umpuschelung aus dem gleichen
Stoff. Immerhin roch er nicht sonderlich muffig und ein Blick unten
drunter zeigte, dass da auch noch alles in Ordnung war.
Am nächsten Tag kam der Sessel erst einmal auf die Terrasse in die
Sonne, lüften, trocknen. Nach einem Tag stellte ich ihn dann unten ins
Haus, damit nicht Nachbarskatzen und -kater darauf campieren oder andere
nächtliche Mitbewohner ihre Duftmarken darauf setzen konnten. Da stand
er dann, denn es war zu heiß, um einen Sessel abzuziehen und
aufzuarbeiten. Mir fehlte auch noch ein wichtiges Werkzeug, nämlich ein
Tacker, um den Bezug später spannen zu können. An einem nicht so heißen
Abend trug ich den Sessel nach oben in mein Arbeitszimmer und begann,
die Tackerklammern zu lösen.
Innen schepperte etwas.
Vermutlich wird da wohl was lose sein, dachte ich.
Die
erste Überraschung beim Abziehen war ein verwischter Stempel, der
immerhin erkennen ließ, dass der Sessel in der ehemaligen DDR
hergestellt worden war. Als der Bezug unten war sah ich, dass der
Rückteil der Lehne nicht aus Holz, sondern einer dicken Pappe war. hm.
Es war recht mühsam, die Klammern zu lösen, aber Stück für Stück bekam
ich die Pappe ab und sah... einen Schlüssel! Einen Autoschlüssel mit
Tankschlüssel, um genau zu sein. Er hing an einem bordeauxroten
Lederanhänger mit dem Buchstaben "K". Das war also, was im Sessel
gescheppert hatte. Mir fiel auf, dass der Sesselbezug am Rückteil
besonders gut vertackert war und dass ein Teil des Stoffes irgendwie
"dazugeflickt" aussah. Es war eine Art grober, brauner Gardinenstoff.
Als ich anfing, diesen Stoff zu lösen, rutschte erst ein
Wohnungsschlüssel und danach ein zweiter Autoschlüssel mit identischem
Anhänger und dem Buchstaben "E" heraus.
Offenbar hatte jemand die
Schlüssel in dem Sessel versteckt oder aufbewahrt.
Wie lange sie dort wohl schon lagen?
Wer waren "K" und "E"?
Und warum hatten sie die Schlüssel hier versteckt?
Waren es Schlüssel zu einem Fluchtauto?
Zu Großmutters Trabi Cabriolet?
Und schade, dass es keine Schlüssel für ein Bankschließfach voller Goldbarren waren...
Inzwischen
hat der Sessel sein neues Kleid bekommen.
So ganz perfekt ist es nicht
geworden, zumal ich in meiner Begeisterung für den frisch ersteigerten
Elektrotacker das Rückteil zu früh angetackert hatte und dabei vergaß,
die Stoffe innen zu befestigen.
Nun ja.
Beim nächsten Bezug dann.
Spaß
hat es gemacht.
Eure Doro von my-meerkat und klamottenlabel
P. S: Falls "K" und "E" diesen Artikel lesen sollten, ihre Schlüssel liegen noch bei mir...
Das ist ja der reinste Krimi hier, wer hätte gedacht, dass Sperrmüll so spannend sein kann ;-) Tolle Story und toller Sessel!
AntwortenLöschenZu meiner Studentenzeit (also vor 25 Jahren, kreisch bin ich alt) gabs zumindest in München noch Sperrmülltage, die sich gelohnt haben, ich gebe zu, dass das ein oder andere Möbel- oder Geschirrstück seinen Weg in unsre Wohnung gefunden hat
Der Sessel und die Geschichte rocken und auf weitere Aufarbeitungsfundgeschichten hoffe !!! *YEAH*
AntwortenLöschenIch liiiebe Sperrmüll.
AntwortenLöschenHier gibt es den noch in großem Umfang, mit vielen Holz- oder Geschirr- Schätzen.
So manches Teil hat mich schon 3-fach erfreut-
beim Finden, Säubern und Aufpeppen.
Und ich sag es auch hier noch einmal:
Dein Sessel ist ganz wunderbar geworden!
Sehr geheimnisvoll, dein imSesselfund! Uns sehr schönes Endergebnis!
AntwortenLöschenein Blick unten drunter zeigte, dass da auch noch alles in Ordnung war.
AntwortenLöschenjo das ist sehr wichtig---hehe---sehr schöne Geschichte---und ein wneig traurig---wie Rheinsberg und das Päckchen---hach ja
Wäre für die nächste Generation NOCH spannender gewesen, wenn du die Schlüssel wieder "eingebaut" hättest... hehe...
AntwortenLöschenDa haben Sie ja den rechten Blick im Augenwinkel gehabt! Der Sessel ist traumhaft schön geworden *schwöööre*, auch wenn Sie selbst das etwas kritischer sehen ;o)
AntwortenLöschenUnd die Schlüsselgeschichte ist ja mehr als aufregend und spannend! Schreiben Sie ein Buch darüber - das wird garantiert der Renner!