Donnerstag, 22. August 2013

Ein Schlüsselerlebnis

Ich bin eigentlich niemand, der Sachen auf dem Sperrmüll sucht. Einmal abgesehen davon, dass es den Sperrmüll wie früher schon lange nicht mehr gibt, bei dem man allein oder in Gruppen nachts um die Häuser zog und aus einem Haufen Sachen vielleicht etwas Interessantes ziehen konnte.

Mein Freund und sein Mitbewohner lieben Sperrmüll, sie finden auch immer wieder mehr oder weniger interessante Schätze. Vorletzten Winter habe ich meinen ersten Sperrmüllfund gemacht. Um die Ecke war wohl der Keller oder die Wohnung von jemandem aufgelöst worden und diverse noch recht neu wirkende Gegenstände standen am Straßenrand. Unter anderem ein Rollkoffer. Mit Blick auf eventuelle Koffermärkte im neuen Jahr nahme ich ihn mit. Er war wirklich fast neu, muffelte nicht und hatte auch keine "Bewohner". Benutzt habe ich ihn seither genau einmal eben für einen Koffermarkt, seitem schlummert er im Keller und wartet auf seinen nächsten Einsatz. Ich denke, ich werde ihn ein wenig aufpeppen, so dass er nicht mehr wie ein Rentnerkoffer aussieht.

Schon länger möchte ich mich mit dem Aufarbeiten und Polstern von alten Sitzmöbeln beschäftigen. Vielleicht wird es einmal nötig sein, die Sitze im Hillmann Minx (Baujahr 1947) von meinem Freund aufzuarbeiten und dann kämen Polsterkenntnisse gelegen. Vorher wollte ich erstmal ein paar unschuldige Stühle oder Sessel maträtieren, bevor ich mich an so etwas heranwage. Aber das ist eine andere Geschichte.

Um den Jahreswechsel herum begann ich, nach Cocktailsessel zu suchen. Im Internet findet man einige, aber die sind entweder schon aufgearbeitet, zu teuer oder man bekommt sie als "nur Abholung" in 700 km Entfernung. Nach einigen Monaten mehr oder weniger intensiver Suche hakte ich den Sessel ab und vergaß das Projekt erst einmal. Bis... bis zu diesem Abend, als ich mit dem Rad zu meinem Freund unterwegs war und 500 m vor seinem Haus aus dem Augenwinkel etwas sah. Da stand ER! Ein Cocktailsessel. Es war schon recht dämmerig, ich konnte nur erkennen, dass er nicht sonderlich zerschlissen aussah. Mit Hilfe von Freund und Mitbewohner bargen wir den Sessel. Der Bezug war scheußlich, aprikotfaben mit einem nicht defnierbaren geometrischen Muster. Außerdem hatte er am unteren Rand eine rüschige Umpuschelung aus dem gleichen Stoff. Immerhin roch er nicht sonderlich muffig und ein Blick unten drunter zeigte, dass da auch noch alles in Ordnung war.

Am nächsten Tag kam der Sessel erst einmal auf die Terrasse in die Sonne, lüften, trocknen. Nach einem Tag stellte ich ihn dann unten ins Haus, damit nicht Nachbarskatzen und -kater darauf campieren oder andere nächtliche Mitbewohner ihre Duftmarken darauf setzen konnten. Da stand er dann, denn es war zu heiß, um einen Sessel abzuziehen und aufzuarbeiten. Mir fehlte auch noch ein wichtiges Werkzeug, nämlich ein Tacker, um den Bezug später spannen zu können. An einem nicht so heißen Abend trug ich den Sessel nach oben in mein Arbeitszimmer und begann, die Tackerklammern zu lösen.

Innen schepperte etwas.
Vermutlich wird da wohl was lose sein, dachte ich.

Die erste Überraschung beim Abziehen war ein verwischter Stempel, der immerhin erkennen ließ, dass der Sessel in der ehemaligen DDR hergestellt worden war. Als der Bezug unten war sah ich, dass der Rückteil der Lehne nicht aus Holz, sondern einer dicken Pappe war. hm.

Es war recht mühsam, die Klammern zu lösen, aber Stück für Stück bekam ich die Pappe ab und sah... einen Schlüssel! Einen Autoschlüssel mit Tankschlüssel, um genau zu sein. Er hing an einem bordeauxroten Lederanhänger mit dem Buchstaben "K". Das war also, was im Sessel gescheppert hatte. Mir fiel auf, dass der Sesselbezug am Rückteil besonders gut vertackert war und dass ein Teil des Stoffes irgendwie "dazugeflickt" aussah. Es war eine Art grober, brauner Gardinenstoff. Als ich anfing, diesen Stoff zu lösen, rutschte erst ein Wohnungsschlüssel und danach ein zweiter Autoschlüssel mit identischem Anhänger und dem Buchstaben "E" heraus.

Offenbar hatte jemand die Schlüssel in dem Sessel versteckt oder aufbewahrt.
Wie lange sie dort wohl schon lagen?
Wer waren "K" und "E"?
Und warum hatten sie die Schlüssel hier versteckt?
Waren es Schlüssel zu einem Fluchtauto?
Zu Großmutters Trabi Cabriolet?
Und schade, dass es keine Schlüssel für ein Bankschließfach voller Goldbarren waren...

Inzwischen hat der Sessel sein neues Kleid bekommen.
So ganz perfekt ist es nicht geworden, zumal ich in meiner Begeisterung für den frisch ersteigerten Elektrotacker das Rückteil zu früh angetackert hatte und dabei vergaß, die Stoffe innen zu befestigen.
Nun ja.
Beim nächsten Bezug dann.
Spaß hat es gemacht.

Eure Doro von my-meerkat und klamottenlabel

P. S: Falls "K" und "E" diesen Artikel lesen sollten, ihre Schlüssel liegen noch bei mir...

7 Kommentare:

  1. Das ist ja der reinste Krimi hier, wer hätte gedacht, dass Sperrmüll so spannend sein kann ;-) Tolle Story und toller Sessel!
    Zu meiner Studentenzeit (also vor 25 Jahren, kreisch bin ich alt) gabs zumindest in München noch Sperrmülltage, die sich gelohnt haben, ich gebe zu, dass das ein oder andere Möbel- oder Geschirrstück seinen Weg in unsre Wohnung gefunden hat

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  2. Der Sessel und die Geschichte rocken und auf weitere Aufarbeitungsfundgeschichten hoffe !!! *YEAH*

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  3. Ich liiiebe Sperrmüll.
    Hier gibt es den noch in großem Umfang, mit vielen Holz- oder Geschirr- Schätzen.
    So manches Teil hat mich schon 3-fach erfreut-
    beim Finden, Säubern und Aufpeppen.
    Und ich sag es auch hier noch einmal:
    Dein Sessel ist ganz wunderbar geworden!

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  4. Sehr geheimnisvoll, dein imSesselfund! Uns sehr schönes Endergebnis!

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  5. ein Blick unten drunter zeigte, dass da auch noch alles in Ordnung war.

    jo das ist sehr wichtig---hehe---sehr schöne Geschichte---und ein wneig traurig---wie Rheinsberg und das Päckchen---hach ja

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  6. Wäre für die nächste Generation NOCH spannender gewesen, wenn du die Schlüssel wieder "eingebaut" hättest... hehe...

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  7. Da haben Sie ja den rechten Blick im Augenwinkel gehabt! Der Sessel ist traumhaft schön geworden *schwöööre*, auch wenn Sie selbst das etwas kritischer sehen ;o)

    Und die Schlüsselgeschichte ist ja mehr als aufregend und spannend! Schreiben Sie ein Buch darüber - das wird garantiert der Renner!

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Wer schreibt, bleibt!