Sonntag, 15. Januar 2012

Tag der Niedlichkeit - Heute: Erdmännchen

Ich werde sehr oft gefragt, wie ich eigentlich auf die Geschichte mit den Erdmännchen gekommen bin.

Angefangen hat alles irgendwann in den 90er-Jahren.

Eines Abends gab es im dritten Programm einen Film über Erdmännchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, was Erdmännchen überhaupt sind, da ich Tierdokumentationen aber liebe (ich bin schließlich Generation Grzimek), blieb ich dran.

Es war Liebe auf den ersten Blick!

Der Film, der damals ausgestrahlt wurde, war "Das Tal der Erdmännchen" von Alain Degré und Silvie Robert. Noch nie hatte ich derartig niedliche und faszinierende Wesen gesehen! Bei dem ankündigten zweiten Teil "Rückkehr ins Tal der Erdmännchen", saß ich bereits pünktlich vor dem Fernseher.

Danach passierte viele Jahre nichts in Richtung Erdmännchen, bis... ja bis mein damaliger Freund und ich in den Freiburger Mundenhof fuhren. Im ehemaligen Pumagehege waren sie auf einmal: 4 Erdmännchen! Ich erinnerte mich an den Film und wir standen eine ganze Weile am Gehege herum und schauten zu, was sie so machten.

Bald fuhren wir jede Woche hin und beobachteten die Gruppe. Irgendwann im Herbst 2002 fuhr ich alleine zum Mundenhof. Als ich auf der einen Seite vom Gehege stand, hörte ich auf einmal Besucher auf der anderen Seite entzückt "Da sind Kleine!" rufen. Kleine?

Da waren sie! 5 kleine Erdmännchen, die im Innengehege herumtollten, sich balgten und Unfug machten. Das war natürlich eine Sensation und von da an fuhren wir jede Woche mindestens einmal raus, um den Kleinen zuzusehen.

Bald lernten wir, die einzelnen Tiere zu unterscheiden und gaben ihnen Namen.
Bei einigen dauerte das etwas, bei anderen ging es schnell.

Orlok (C. Reiter)
Da war Orlok, ein Erdmännchenmännchen, das sich besonders darin hervortat, jegliche Annäherungsversuche durch Beißen abzuwehren. Wir haben ihn nach dem beißwütigen Graf Orlok aus dem Film "Nosferatu" von F. W. Murnau genannt.

Plattohr (C. Reiter)
Dann war da Plattohr, sein Bruder. Plattohr hat als Jungtier einmal eine Biene verschluckt, aber leider nicht zerbissen. Es endete damit, dass er ohnmächtig wurde, weil die Biene ihn ins Maul gestochen hatte und wir losrannten, um die Pfleger zu holen...

Es gab den kleinen Draufgänger, Jolly Roger, der schon recht früh  Machoallüren entwickelte und sehr hoch springen konnte. Und der sich  ganz prima kraulen ließ, wenn keiner hingeschaut hat.

Stummelschwänzchen (C. Reiter)
Eins der Erdmännchen hatte einen recht kurzen Schwanz, weshalb wir ihn Stummelschwänzchen tauften. Stummelschwänzchen musste sich 2006 einer Operation unterziehen und trug zeitweise ein "Seil" im Gesicht.

Wie z. B. bei Katzen, heilen Hautwunden bei Erdmännchen sehr rasch zu. Wenn sich jedoch eine Entzündung in der Wunde befindet, muss dafür gesorgt werden, dass diese offen bleibt, das es sonst zu Abszessen kommt. Das "Seil" hat ihn nicht groß gestört und die Wunde war nach 2 Wochen wieder in Ordnung.

Schaukelmännchen (C. Reiter)
Ein schüchternes, kleines Erdmännchen, bei dem wir lange nicht wussten, ob es ein Männchen oder Weibchen ist und ob es überhaupt groß wird, haben wir Schaukelmännchen getauft,weil er das Schaukeln an den Wärmelampen erfunden und bis zur Perfektion getrieben hat. Besonders groß ist er nie geworden, aber unglaublich niedlich.

Möfzi (C. Reiter)
Lange Zeit haben wir das einzige Weibchen der Gruppe einfach nur "Das Große" genannt, bis mein Freund einmal meinte, sie sei irgendwie "möfziger", als die anderen (also dicker...) und ab da hieß sie Möfzi. Möfzi hat im Lauf der Zeit gelernt, auf ihren Namen zu hören.

Irgendwann wurden die 5 Jungs erwachsen und zwei von ihnen begannen, sich für Möfzi zu interessieren: Plattohr und Jolly Roger.

Das Königspaar (C. Reiter)
An einem sonnigen Sommernachmittag waren wir Zeugen eines Liebesdramas der Spitzenklasse.

Während Jolly Roger Möfzi bereits erobert hatte, und mit weiteren Bezirzungsversuchen beschäftigt war, robbte ein offensichtlich verliebtes Plattohr immer ein paar Zentimeter näher an seine Angebetete, sobald Jolly Roger einmal nicht in seine Richtung schaute... das gab natürlich Prügel!

Wie bei den Menschen auch, haben die Weibchen das erste und letzte Wort in Sachen Partnerwahl...

Erdmännchen leben im Matriarchat. Eine Gruppe wird immer von einem dominanten Weibchen geführt. Dieses Weibchen entscheidet unter anderem, ob man eine feindliche Gruppe angreift, oder besser vor ihr wegläuft.

Die anderen Weibchen einer Erdmännchengruppe haben sehr wenig zu lachen, da sich in der Regel nur das dominante Paar fortpflanzt. Rangniedrige, trächtige Weibchen werden häufig aus der Gruppe verstoßen.

Wie bei Löwen auch ist Infantizid bei Erdmännchen nicht selten. So werden Jungtiere der rangniedrigen Weibchen vom dominanten Weibchen mitunter getötet, um das Durchkommen des eigenen Nachwuchs zu sichern.

Der natürliche Lebensraum der Erdmännchen ist die Kalahari-Wüste in Südafrika. Die Erdmännchen leben dort unter sehr extremen Bedingungen: Hitze tagsüber, Kälte nachts, wenig Futter in den Trockenzeiten, rivalisierende Gruppen, Feinde... Es ist ein harter Existenzkampf um Nahrung und Territorien, weshalb es bei den Erdmännchen Arbeitsteilung gibt.

Shirt mit Wächter Plattohr
Ein Tier - der Wächter - beobachtet die Umgebung, während die anderen auf Nahrungssuche sind. Der Wächter verrichtet seine Arbeit immer von einem erhöhten Punkt, von dem aus er Bedrohungen gut erkennen kann.

Erdmännchen kennen 34 verschiedene Lautäußerungen. Wer dem Wächter einmal genau zusieht und vor allem zuhört, wird ein kleines, glucksendes Quiekeln hören, das "alles in Ordnung" heißt.

Bei Bedrohungen aus der Luft (Raubvögel) oder am Boden (andere Gruppen, Schakale, Schlangen) beginnt der Wächter zu "bellen". Je nach Nähe und Art des Feindes ändern sich Art, Geschwindigkeit und Lautstärke des "Gebells".

Da Erdmännchen ihre Nahrung im Boden suchen, die Mehrzahl ihrer Feinde jedoch aus der Luft kommen, ist es nötig, dass ein Tier die Umgebung beobachtet. Die schwarzen Zeichnungen um die Augen funktionieren dabei wie eine Sonnenbrille.

Das Königspaar
Wir hatten ca. Ende Mai 2008 den Verdacht, dass Möfzi trächtig sein könnte. Der Verdacht erhärtete sich recht schnell, denn Möfzi wurde von Woche zu Woche runder. Mit dem Geburtstermin der Kleinen lagen wir fast auf den Tag genau richtig, wir hatten ausgerechnet, dass sie ungefähr Mitte Juli zur Welt kommen müssten.

Die Jungtiere bleiben normalerweise die ersten 3 Lebenswochen im Bau und werden nachts von der Mutter gesäugt. Tagsüber ist die Mutter auf der Jagd und die Jungen werden entweder von älteren Geschwistern, oder von rangniedrigen Weibchen der Gruppe beaufsichtigt.

Mit etwa 4 Wochen laufen die Kleinen in der Gruppe mit. Jedes Jungtier bekommt jetzt einen Lehrer zur Seite gestellt, der ihm beibringt, wie es mit seiner Beute umgehen muss. Eine bevorzugte Nahrung der Erdmännchen in freier Wildbahn sind Skorpione. Ein Skorpion ist eine anständige Mahlzeit, aber eine, die es in sich hat.

Erdmännchen vs. Skorpion
Skorpione verfügen über einen Giftstachel, dessen Stich für ein Erdmännchen zwar schmerzhaft, aber nicht tödlich ist. Erdmännchen sind gegen viele Gifte - unter anderem das Skorpiongift - immun.

Der Lehrer steigert im Lauf der Zeit den "Schwierigkeitgrad" der Beute. Skorpione werden erst einmal tot vorgelegt, später dann lebendig, aber ohne Stachel und irgendwann muss das Jungtier lernen, mit dem lebenden, stachelbewehrten Skorpion klarzukommen.

Sayuri (C. Reiter)
Unsere Kleinen hatten mit ganz anderen Dingen zu kämpfen. Eines der Jungen - Sayuri - kam mit einer neurologischen Behinderung zur Welt. Die ersten Wochen war nicht klar, ob sie überleben würde.

Während ihre Geschwister Caruso und Rüsselchen bereits relativ problemlos nach oben kamen und draußen von Möfzi gesäugt wurden, versuchte Sayuri verzweifelt aus der Höhle nach oben zu kommen.
Immer, wenn sie es fast geschafft hatte, rollte sie durch ein unkontrolliertes Zucken ihrer Hinterbeinchen wieder in den Bau zurück. Sie war oft völlig am Ende ihrer Kräfte, aber sie gab niemals auf.

Caruso, Rüsselchen, Sayuri (v. l. n. r.)
Kleine Erdmännchen sind nicht nur unglaublich neugierig und verspielt, sondern auch unglaublich laut!

Damit die Gruppe immer weiß, wo ihre Mitglieder sind, machen die Tiere leise Kommunikationslaute -  "hier bin ich".

Die Jungtiere dagegen sind extrem laut und sehr niedlich. Sie geben eine ständiges, lautes "meeeeeeehhhh meeeeeeeeehhhh meeeeeeeehhhh" von sich. Sobald ein erwachsenes Tier mit Futter auftaucht, ändert sich das langgezogene "meeeeeehhh meeeeehhh" in ein lautes Schnattern, den "Bettelruf". Dieser Bettelruf ist unwiderstehlich für ein Alttier, es kann nicht anders, als dem Kleinen seine Beute hinzulegen.

Wie im "richtigen Leben" gibt es bei unseren Erdmännchen nicht nur Freude.

Schaukelmännchen-Tasche
Schaukelmännchen, der während der Jungenaufzucht ein unglaublich fürsorglicher und liebevoller Onkel war, verstarb im Mai 2009 an den Folgen einer Lungenentzündung.  Mit ihm ist die Tradition des Schaukelns an den Wärmelampen untergegangen. Wir vermissen ihn sehr.

Jolly Roger verstarb Ende 2008 an den Folgen einer "Palastrevolution". Er und  Möfzi wurden aus der Gruppe gemobbt, wobei es Jolly Roger schlimmer traf, als Möfzi. Der einstmals so selbstsichere, kleine Macho wurde von Orlok und Stummelschwänzchen mehr oder weniger zu Tode gejagt. Er starb an den Folgen einer Infektion.


Möfzi ist inzwischen 13 Jahre alt und damit eine richtige Greisin. Sie hatte in den letzten 3 Jahren mit Mobbing, einer gebrochenen Vorderpfote, einer abgestorbenen Schwanzspitze, diversen Abszessen, Zahnausfall und Ekzem zu kämpfen. Das Laufen fällt ihr schwer, sie hat keine Zähne mehr und bekommt ihre Mäuse aufgeschnitten oder Katzenfutter. Sie ist unter tierärztlicher Beobachtung. Wir freuen uns um jeden Tag, den sie noch lebt. Ihr Pfleger meinte, dass man ihr ein Denkmal setzen sollte, wenn sie gestorben ist...

Mehr Hintergrundinformation, Fotos und haufenweise Videos findet ihr auf dem Mundenhof Mob Manor-Blog (Englisch), für das wir inzwischen leider viel zu wenig Zeit haben. Wer sich noch tiefer einlesen und genauer mit Erdmännchen beschäftigen möchte, dem sei das "Kalahari Meerkat Project" von Professor Tim Clutton-Brock ans Herz gelegt. Hier wurde unter anderem "Meerkat Manor" (Und täglich grüßt das Erdmännchen) gedreht.

An diesem - leider ein wenig traurigen - Ende dieses Beitrags möchte ich Euch aber noch mit dem legendären Schaukelmännchen-Video erfreuen.

Eure Doro von my-meerkat und klamottenlabel

P.S: Erdmännchen sind Raubtiere, Erdhörnchen sind Nager!











10 Kommentare:

  1. Sooooooooo liab!!!!!

    Jetzt hab ich Lust bekommen auch unsere im Zoo mal wieder zu besuchen :-)))

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  2. Das ist schon traurig, weil sie einem schon nur beim lesen Deines Beitrages ans Herz wachsen.... Das ist toll, mit welcher Liebe Du für die Erdmännchen da bist. Danke!

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  3. Die unglaubliche Niedlichkeit der Mundenhofer Erdmännchen kann ich vollstens bestätigen!!!! *im April letzten Jahres dort war*

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  4. ....jetzt weiß ich auch, wieso DU diese "possierlichen" (nach Gzimek) RAUBTIERE zu einen SHOP-LABELS gemacht hast!!!

    Gebildet sein heißt nun: Sich nicht merken lassen, wie elend und schlecht man ist, wie raubtierhaft im Streben, wie unersättlich im Sammeln, wie eigensüchtig und schamlos im Genießen.
    Friedrich Wilhelm Nietzsche

    RESchPEKT und Mehlwürmer für GROß und KlEIN abstell ;-)

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  5. Dankeschön für Deinen unglaublich informativen und spannenden Bericht! Nun kann ich mir annähernd vorstellen, wie Du über die Jahre "Deine" Erdmännchen" lieb gewonnen hast.;)

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  6. Immer wieder so schön zu erleben, wie du in der Begeisteruzng für die Tierchen aufblühst! Unterschwellig bin ich ja auch seit Jahren chronisch mit dem Erdmännchen Virus infiziert...
    Bringt es was, die Erdmännchen im Zoo in Hannover um diese Zeit heimzusuchen?
    *DasaufderToDoListefür2012ganzweitobenstehnhat*
    Danke Doro!

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    1. Päuschen, der Zoo Hannover bietet was ganz besonderes, nämlich das "Rendezvous mit dem Lieblingstier". Da kannst Du unter Aufsicht Erdmännchen füttern und streicheln, wir haben das 2006 oder 2007 mal gemacht, war total klasse!

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  7. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  8. Jetzt bekomme ich echt Lust auf Zoo.. das werd ich gleich an Ostern machen, in Dresden, die haben ganz viele Erdmännchen..

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Wer schreibt, bleibt!