Samstag, 21. Januar 2012

Cherry Bomb und Marrybess proudly present: Siebdruck hinter den Kulissen. - Teil 4 der Siebvorbereitung: Das Drucken

Mein kreativer Erklärungsrausch wurde etwas durch die jahreszeitlich bedingten Verkaufsorgien und die damit einhergehende Zeitknappheit ausgebremst, aber nun ist es endlich soweit: der letzte Teil der Siebdruck-geschichte ist an der Reihe: DAS DRUCKEN!!!!!!!!! Yeah… *Schweiß von der Stirn wischt*.

Ihr wisst ja hoffentlich immer noch Bescheid, welche Schritte erforderlich waren, um ein Sieb für das Drucken vorzubereiten (Stichworte: Sieb entschichten, entgeistern, beschichten, belichten) und dass ich folgendes Motiv zum Zeigen des Druckvorgangs verwenden wollte: ein Schachbrett. Für Demenzerkrankte hier und hier und hier und hier nochmal das Ganze zum Auffrischen der bemitleidenswürdigen grauen Zellen.





Aaaaaaaaaaaalso… Wir haben nun folgendes Sieb vor uns zu liegen und wir wollen nun endlich mal diese verdammte Schachbrett drucken, also: ran an die Buletten!

Wir brauchen:

- Mit Motiv belichtetes Sieb *check*

- Paketband *check*

- Siebdruckgrundpaste *check*

- Schwarzes Pigment *check*

- Fixierer *check*

- Waage *check*

- Anmischbehälter *check*

- Mixer *check*

- Taschenrechner *check*

- Probedruckstoff(e) *check*

- Zu bedrucktender Stoff *check*

- Rakel *check* (häh? Rakel? Wassndas???? Geduuuuuuld… wird alles erklärt…)

- Starke Nerven *check*

- Glücksengel (weil’s nicht immer klappt…) *check*

- Ggf. Sündenbock, wenn’s tatsächlich nicht klappt *ähm… wo isser*



Es gilt nun dafür zu sorgen, dass auf dem Sieb nur an DIE Stellen Farbe durchgeht, wo sie durchzugehen hat und nirgendwo sonst. In diesem Fall ist das einfach, da wir nur ein Motiv belichtet haben. Man versucht ja in der Regel effektiv und platzsparend zu arbeiten, also wenn ein kleines Motiv auf ein großes Sieb belichtet wird, nutzt man gerne den „freien“ Platz für weitere Motive. Damit spart man teure Siebbeschichtungsflüssigkeit, Zeit, aber auch Nerven. Letzteres ist bekanntlich am teuersten!!! Gut, hier müssen wir also eigentlich nur die Ränder abkleben, weil zwischen Siebrand und Siebschicht sich oft noch kleine Lücken befinden, sprich: Stellen, an denen das Sieb farbdurchlässig ist und wir sonst die vielleicht zwar schönen, aber im Prinzip ungewünschten Rändern mit auf die Textilien drucken würden. Ich verwende immer dunkles Paketband zum Abkleben. Erstens geht da keine Farbe durch und zweitens sieht man, wo „offene Stellen“ sind, im Gegensatz zum durchsichtigen Paketband (nennen Sie es von mir aus „Stellenanzeige“ anstatt Paketband, Haupsache, das Zeugs klebt richtig). Von welcher Seite aus man abklebt, wird ganz der eigenen Vorliebe überlassen. Es gibt beim Siebdrucken „Unten-Abkleber“ und es gibt „Oben-Abkleber“. Ich gehöre zur ersten Fraktion, weil’s einfacher ist. Die „Oben-Abkleber“ vertreten hingegen die Ansicht, dass keine Farbreste in dem offenen Siebgewebe eintrocknen können: durchaus ein gutes Argument, aber nur notwendig, wenn man mehr als drölfmillionen Teilchen hintereinander druckt.

Sieb abgeklebt *check*


Nun kann man sich entscheiden, ob man lieber auf einem Stofftisch druckt oder gleich das Siebdruck-Karussel verwendet. Wenn man mehrfarbig druckt und es hierbei auf Genauigkeit ankommt, bietet das Karussel große Vorteile. Man kann mehrere Siebe auf das Spielgefährt einspannen (es gilt: pro Farbe braucht man jeweils 1 Sieb mit dem Motivteil, das man in der jeweiligen Farbe druckt), den ersten Teil des mehrfarbigen Motivs drucken, kurz zwischenföhnen und dann das zweite Sieb rüberschwenken und den zweiten Teil des mehrfarbigen Motivs drucken. Unseres Karussel bietet die Möglichkeit, 4 Farben in dieser Form hintereinander zu drucken. Es gibt aber in Profi-Werkstätten auch Karusselle mit mehr als 4 Siebeinhängungen und Druckplatten.

Natürlich steht es einem auch frei, an dem Karussel zu stehen, wenn man nur einfarbig drucken will… Da das Leben schon kein Ponyhof ist, muss man alle Möglichkeiten ausschöpfen, wenigstens das Arbeiten zum Rummelvergnügen zu machen. Ihr ahnt es schon: Ich drucke (fast) immer am Karussel… LOL



Nun geht es ans Farben zusammen-mischen. Klar, kann man auch fertige Siebdruckfarben in der Wunschfarbe kaufen, aber oft enthalten diese Lösungsmittel oder sonstige unleckere Inhaltsstoffe. Ich verwende Siebdruckfarben auf Wasserbasis, die man selbst zusammenmischt aus einer Grundpaste, Pigmente und Fixierer. Die kann man sogar zu Hause verwenden, da man sie ganz normal über die Kanalisation entsorgen kann, ohne mit dem Umweltamt in Streit zu geraten. Zudem kann man hierdurch eigene neue Farbmischungen kreieren, die man nur einmal hinbekommt… Ähm… Ist das jetzt ein Vorteil???? *grübelt*. Egal!

Mathegenies und Menschen, die so eine interessante Gehirnstruktur haben, dass sie in 2 Sekunden sagen können, wieviele Erbsen in einer ihnen hingehaltenen vorher unbekannten Schale liegen, können den Taschenrechner und die Waage jetzt getrost in die Tonne hauen oder gleich mir geben, denn ich brauche da immer meine kleinen Rechenhilfen. 5-10% Pigment (je nach Tiefenfärbung) brauchen wir auf die Grundmenge der Siebdruckpaste gerechnet. Hinzu kommt noch 3-4% Fixierer auf die Gesamtmenge von Paste und Pigment. Das mixen wir alles schön mit dem hierfür vorgesehenen Handmixer zusammen (es empfiehlt sich TROTZ der als umweltfreundlich eingestuften Farben KEINE multiple Verwendung des Mixers. Pfannkuchenmischung also lieber mit einem Zweitmixer anrühren! Der Trend geht sowieso zum Zweitmixer… Hehe… und ja, lieber blaue Lebensmittelfarbe statt Siebdruckfarbe nehmen, wenn die Pfannkuchen unbedingt türkis werden sollen…)

Schön mixen, mixen, mixen, ggf. das ganze Zeugs nochmal durch ein für die Werkstatt vorgesehenes Zweitküchensieb pressen (der Trend geht übrigens auch zum Zweitküchensieb!!!!), damit keine Klümpchen in der Farbe enthalten sind. Ist ja auch nicht anders als beim Pfannkuchenteig… Wenn der Teig klumpig ist, kommen keine leckeren Pfannkuchen dabei raus! Die Siebdruckfarbe(n) ggf. noch mit ein wenig Wasser verdünnen (schwarze Farbe dickt schnell nach) und dann aber ran an die Pfannkuchen… Äh… ans Drucken…

Farbe angerührt *check*

Nun legen wir unsere Probedruckstoffe und unsere zu bedruckende Stoffe in Reichweite und fangen ZUERST mit dem Drucken der Probestoffe an. Wir fertigen im Prinzip erst eine Probe an, damit wir sehen können, ob die Farbmischung die richtige Konsistenz hat, ob das Motiv gut auf das Sieb belichtet wurde und ob wir WIRKLICH alle offene Stellen, die nicht mitgedruckt werden sollen, richtig abgeklebt haben. Außerdem ist es auch hier wie beim Pfannkuchenbacken: der erste schmeckt meist nicht, sieht scheiße aus und ist reif für den Komposthaufen… Das kommt, weil die Pfanne meist noch nicht heiß genug ist. Beim Siebdrucken ist es so, dass das Sieb erstmal „eingedruckt“ werden muss. Meist reicht ein Probedruck, aber manchmal braucht man fünf Anläufe, um den Schritt auf den richtigen Stoff zu wagen.

(Probe)stoffe dabei *check*



Ratsam ist es, die Vorlage, die man verwendet hat, um das Motiv auf das Sieb zu belichten, dabei zu haben. Diese braucht man oft, um die genaue Position des Motivs auf den Stoff zu bestimmen. Dazu legt man die Vorlage an die Stelle, wo das Motiv hingedruckt werden soll und anhand der Vorlage kann man dann das Sieb so positionieren, dass das Motiv auf genau dorthin gedruckt wird. Das erfordert bei mehrfarbigen Motiven oft ein ganz schönes Gefummel, weil man dann millimetergenau arbeiten muss. Bei einfarbigen Motiven reicht oft die grobe Positionierung, um zentimetergenau drucken zu können. Ob das einfarbige Motiv nun 1 Zentimeter weiter nach links oder rechts gedruckt wird, ist für Nichtperfektionisten kein Grund, schlaflose Nächte zu erdulden.

Sieb ausgerichtet *check*

Nun suchen wir uns ein schönes Rakel aus, das wir zum Drucken brauchen. Ich habe nie versucht, ob man auch mit so einer Gummilippe zum Fensterreinigen auch drucken könnte, aber rein theoretisch ist es so ein Teil, das wir zum „Rakeln“ brauchen: ein Teil mit einem Griff (aus Metall oder aus Holz) und einem Gummirand vorne, mit dem man Wasser Schrägstrich Farbe wegschiebt. In unserem Falle schieben wir die Farbe durch das Sieb. Idealerweise sollte das Rakel ein wenig breiter sein als das Motiv, das es zu bedrucken gilt, damit wir mit einem Wisch und ohne Unterbrechung mit einem Mal über das Motiv rakeln können.



Zuerst verteilt man gleichmäßig und üppig Farbe neben, über oder unter dem Motiv (je nachdem, wie es sich für einem am besten anfühlt… Ich rakel immer von oben nach unten, also mache ich eine „Farbwurst“ ÜBER dem Motiv). Dann „flutet“ man einmal das Sieb, d.h. man nimmt ganz leicht (ohne Druck auszuüben, denn die Farbe DARF NOCH NICHT durch das Sieb gehen) die Farbe mit dem Rakel und verteilt sie gleichmäßig über das Motiv, um das Sieb einmal zu benetzen.

Je nach Farbkonsistenz und zu bedruckendes Material rakelt man danach 1-3mal fest über das Motiv ohne das Sieb zwischendrin hochzuheben.

Probegedruckt *check*




Probedruck zufriedenstellend? OK, dann kann man den richtigen Stoff nehmen.

Bei dünnen Stoffen reicht übrigens einmaliges Rakeln. Mehrfaches Rakeln würde hier eine zu dicke Farbschicht auftragen, die unschön aussieht. Dickere Stoffe „schlucken“ wiederum viel Farbe und um die Gleichmäßigkeit des Drucks zu gewährleisten, sollte man somit mehrfach rakeln. Entscheidend ist auch der Winkel, in dem man das Rakel hält, damit mal mehr oder mal weniger Farbe durch das Sieb gerakelt wird. Und einen Unterschied macht es auch, ob man leicht über das Sieb rakelt oder ganz fest. Es gibt eben sehr viele Variablen und das macht das Siebdrucken spannend, aber auch manchmal unvorhersagbar. Man muss sich oft auf Erfahrungswerte verlassen und man lernt auch nie aus ;-))





Erfolgreich gedruckt *check*

Bedruckter Stoff trocken föhnen *check*

Sich freuen, dass man den nicht auffindbaren Sündenbock heute nicht gebraucht hat *check*

Fertig.

Eure Cherry von Cherry Bomb und Kirschblüten-Tsunami

Fotos und Mitarbeit: Frau Bäss (Marrybess), Dankeschöööööön!!!!



14 Kommentare:

  1. Heiliger Bimban. Mein Heidenrespekt Chery und Frolln Bess. Schwürd das nervlich gar net durchstehen. - bin ja schon mit Kartoffeldruck überfordert.
    Boah.

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  2. Puh, so ein Aufwand! Das Ergebnis ist zwar toll, aber der Weg ...
    Sehr schöne Siebdruck-Serie!

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  3. Echt interessant.. gerade für mich, jetzt verstehe ich es besser, warum man nicht mal schnell ein Shirt bedrucken kann. Das ist schon Aufwand, viel viel Arbeit. Hut ab!

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  4. WOW, das ist echte Handwerkskunst..Respekt!!!!

    Und das Ergebnis rechtfertigt definitiv den Aufwand!

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  5. Grandioser Höhepunkt des Siebdrucks!!! *♥Chapeau*

    "Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz"
    Klaus Kinski

    ...hab ich unter Zitat für´s Drucken gefunden ;-)
    und passt auch irgendwie zu uns Fredissimas!!!

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  6. Ich habe auch den 4.Teil mit sehr großem Interesse gelesen und konnte mir nicht mal im Ansatz vorstellen, wie arbeitsintensiv das Siebdrucken ist! *Deine "Wortakrobatik" bringt mich zudem auch immer zum Schmunzeln*! ;)))

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  7. Einfach grandios- das Können, die Ideen, der Aufwand, das Ergebnis und der Beitrag- DANKE, Ihr Wunderhippen für diese Hammerdosis Kreativität am Wochenende! ☺

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  8. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  9. Wow, schliebe solche Projekte mit solch brillantem Ausgang, selbst leider viiiiel zu wenig Zeit dafür hat*seufz*

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  10. Fr. Kürsche und Fr. Bäss
    um es mal wieder mit Kermit zu sagen: APLAAAAAAAUUUUUUUUUSSSSSSSSSSS!!!!!!!!!

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  11. Toll, Diamanten entstehen eben nur unter Druck :)

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  12. Faszinierend!!! Und die Ergebnisse rechtfertigen den Aufwand.
    Will meine Bomben-T-Shirts nimmer missen

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  13. Fr. Kürsche icke verneige mich mal wieder vor ihren Schreibkünsten *voll neidisch guckt*

    tja und die ganze Welt weiß nun endlich, wieeee arbeitsintensiv die ganze Sache is! )))))

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  14. Yip, ein feines Tutorial! Siebdruck ist eigenartiger weise eins der wenigen Dinge, die ich noch nicht ausprobiert hab...
    LG
    Dania

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Wer schreibt, bleibt!