Montag, 20. Februar 2012

Narri-Narro... s'isch Fasnetmendig

Ich lebe seit fast 20 Jahren im so ziemlich äußersten südwestlichen Zipfel der Republik, im schönen, warmen (meistens jedenfalls) Freiburg. Als ich aus Bayern hierher zog, wusste ich wenig über die hiesigen regionalen und lokalen Bräuche. Schwäbisch-Alemannische Fasnet hatte ich wohl schon einmal gehört, aber ich konnte mir nichts rechtes drunter vorstellen.

Fasching sind für mich pappnasentragende, trötende, gröhlende, schunkelnde, albern angezogene Menschen, die sich in den Tagen und Wochen zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch zu kollektiven Frohsinns- und Besäufnisveranstaltungen treffen.
Wo Fasching draufsteht, ist Fasching drin. Punkt.

Gut, ich muss zugeben, dass ich als Kind Fasching toll fand. Da ich Anfang Februar Geburstag habe, war jeder Kindergeburtstag eine Faschingsfeier, und verkleiden fand ich klasse! Jedes Jahr überlegte ich mir ein neues Kostüm, das ich tragen würde. Als ich klein war, nähte meine Mutter die Kostüme, später tat ich das dann selbst.

Ich erinnere mich, dass ich eines Donnerstags im Februar in der Straßenbahn zu einer Freundin fuhr. Wir wollten zusammen kochen. Die Straßenbahn war vollgestopft mit seltsamen Gestalten, die alle geschnitzte Masken unterm Arm trugen und ständig Sprüche wie "fresse, saufe, Fasnacht, isch was de Fikse Spaß macht" zum Besten gaben.

Freiburger Fasnetrufer
Befremdet stand ich eingekeilt zwischen diesen seltsamen Menschen und hoffte, dass sie bald aussteigen würden. Es war "Schmotzige Dunschdig" und diese Menschen waren unterwegs zu einer der zahllosen Veranstaltungen. Was sie da anhatten, war keine Verkleidung, sondern ein "Häs" (oder Blätzleshäs) und was sie unter dem Arm trugen, keine Masken, sondern "Larven". Diese Menschen gehörten nicht etwa einem Karnevalsverein an, sondern einer Narrenzunft.

...hoorig, hoorig isch die Katz..
Übrigens hat "Schmotzig" nichts mit Schmutz zu tun, sondern leitet sich ab von Schmalz/Fett. Die schmalzgebackenen Fasnetküchle oder Scherben sind echt lecker. Ein ehemaliger amerikanischer Kollege erntete sehr erstaunte Blicke, als er im Sommer in einer Bäckerei "Berliner" kaufen wollte. Die gibt`s nur zu Fasnet, das weiß doch jeder!

 Interessant sehen sie ja schon aus, dachte ich mir. Gehen wir doch mal zu dem Umzug am Fasnetmendig (Rosenmontag) und schauen uns das an.

In der Stadt waren allerlei Gestalten unterwegs... Hexen, Teufelsfiguren, Tiergestalten, Fratzen... manche mit Saublodere (Schweinsblasen) und Streckscheren bewaffnet, andere mit Besen... ein kleines bisschen unheimlich war das schon.

Und es hatte nichts, aber auch gar nichts mit Pappnasen zu tun! Und... was ist denn das? Keine "Ein Prosit der Gemütlichkeit..." oder "Mer lasse de Dom in Kölle..."-Gesänge, sondern schräge und vor allem laute Musik! Das Stück da kenn ich doch? Oder doch nicht? Gugge nennen sich die Musiker und ihre Musik heißt - logischerweise - Guggemusik. Jede und jeder kann so einer Truppe beitreten, es gilt ja in erster Linie laut zu sein. Die schrillen und verrückten Kostüme der Musiker sind ein schöner Kontrast zu den Kostümen der Zunftnarren.



Weißnarren
Die Figuren variieren von Region zu Region. Während man im alemannischen Teil Badens eher Fratzen, Hexen und Teufel findet, sieht man Richtung Baar Weißnarren in kunstvoll bemalten oder bestickten Leinengewändern, im Bodenseeraum und in Oberschwaben Blätzle-, Spättle- oder Flecklenarren, die anstelle von Holz- Stoffmasken vorm Gesicht tragen. Eine besondere Variation sind die Wilden Leute, wie der Hoorige Bär der Poppelezunft aus Singen, dessen Kostüm mit Stroh verziert ist.

Die Kleidung der Hexen lehnt sich meist an traditionelle Frauenkleidung an. Oft tragen Hexen- und Teufelsfiguren geflochtene Strohschuhe, die Schwarzwälder "Finken".

Das närrische Treiben ist straff durchorganisiert.
Man kann sich nicht einfach eine Maske in einem Laden kaufen, irgendein Häs anziehen und einfach losgehen, sondern man muss einer der zahlreichen Narrenzünfte angehören.

Jede Zunft hat ihr eigenes Häs und eine eigene Maske. Allein in Freiburg gibt es um die 35 Zünfte, die auf unterschiedlich lange Traditionen zurückblicken können. Die Masken und Häs sind handgeschnitzt bzw. handgefertigt und werden oft von Generation zu Generation weitervererbt.

Günterstaler Bohrer
Mitunter basieren die Figuren auf lokalen Sagen oder Begebenheiten. Die Günterstaler Bohrer mit ihren korkenzieherartigen Nasen spielen auf die Geschichte an, dass sich Günterstal in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zum Heilbad aufschwingen wollte. Am Hölderlebach wurden Quellen vermutet und es wurde gebohrt... Heilwasser indes wurde nicht gefunden, die Günterstaler warten noch heute drauf...

Gässlevieh St. Georgen
Die Schwäbisch-Alemannische Fasnet hat ihre Hochzeit - wie andernorts auch - vom Donnerstag der Faschingsvorwoche bis Rosenmontag bzw. Faschingsdienstag. In den Umlandgemeinden und auch in einigen Stadtteilen beginnt der "Schmotzige Dunschdig" mit den "Hemdglonki"-Umzügen. Die Hemdglonki (oder Hemdglunker) tragen weiße Nachthemden und Glocken (Schelle), mit denen sie meist rhythmisch klingeln.

Am Schmotzige Dunschdig wird das Freiburger Rathaus von Narren besetzt, auf dem Rathausplatz der Narrenbaum aufgestellt und überall sieht man auf einmal Hästräger, die kunstvoll geschnitzten Masken unterm Arm oder vor dem Gesicht, allein oder in Gruppen durch die Stadt ziehen.

Man merkt der Fasnet ihren heidnischen Ursprung an, der Winter wird mit Feuer und unheimlichem Treiben verjagt. Wer würde nicht vor einer Reisigbesen schwingenden Hexe davonlaufen?

Jeden Sonntag ("Schiibesundig") nach Fasnet findet auf dem Schönberg am südlichen Rand von Freiburg und auf vielen anderen Bergen das "Schiibeschlage" statt. Buchenscheiben werden im Feuer zum glühen gebracht und mit Stöcken den Berg heruntergeschlagen.

Besonders beeindruckend fand ich einen Besuch beim Umzug der Elzacher "Schuttig". Die Schuttig tragen rote Häs, einen Dreispitz, der mit Weinbergschneckenhäusern und roten "Bollen" verziert ist und die wunderschönen, handgeschnitzten Masken. Leider habe ich es noch nie geschafft, am Schmotzige Dunschdig nach Elzach zu fahren, denn dann findet ein Fakelumzug statt. Die Hauptstraße ist voller Schuttig, die im Takt des Schuttigmarsches springen und hüpfen. Sogar die Allerkleinsten im Kinderwagen stecken schon im Häs. Allen voran läuft die Kapelle (übrigens mit sehr kuriosen, schultütenartigen Hüten auf dem Kopf), gefolgt vom einzigen schwarzen Teufelsschuttig, der seine hüpfende Truppe anführt.

Man weiß ja, dass unter jeder Maske und in jedem Häs ein Mensch steckt, aber so eine Straße voller rotgewandeter, maskentragender "Wesen"... das ist unheimlich. Ach, und eins mit der Saublodere übergezogen zu kriegen, tut übrigens weh!

Wenn die Fasnet in der Nacht von Fasnetdienstag auf Aschermittwoch zuende geht, wird in vielen Städten die "Fasnet begraben". Der Narrenbaum wird "gefällt" und der Alltag kehrt ein. Am Aschermittwoch treffen man sich auf dem Rathausplatz zur Geldbeutelwäsche. Abschied von der Fasnet... bis zum nächsten Mal... 's goht wiedr dagege...

Eure Doro von my-meerkat und klamottenlabel

11 Kommentare:

  1. Sehr schöne Bräuche, damit kann ich was anfangen. Wenn man da richtig involviert ist, dann ist das bestimmt die absolute Gaudi. Aber ich fürchte mich in jedem Jahr wieder vor dem besoffenen Fußvolk in schlimmen Verkleidungen, deswegen habe ich es nur mit den gefüllten Krebbeln, wie es in Frankfurt heißt.
    Wir könnten ja, wenn wir denn mal nach der Weltherrschaft ein Dorf erobert haben, unsere eigenen Faschingsbräuche einführen, hehe!
    *sich schon hopsend auf einem Wagen, am Rollator abstützend, mit allerlei Zuckergedöns um sich schmeißen sieht*

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  2. Ein sehr informativer Bericht, und sehr schöne Fotos!

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    1. Fred-Faschingsbräuche finde ich ein tolle Idee, so bunt wie wir sind, wären dann auch die Bräuche!

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  3. *H*E*L*A*U*und*A*L*A*A*F*

    Ist doch unsere zivilisierte Welt nur eine große Maskerade.
    (Arthur Schopenhauer)

    ...toller Beitrag!!! *♥FaschingsDienstagsknuddelbützkes*

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  4. Da würde ich mittemang sein---DAs nenn ich schöne Bräuche! Toll Kante, Danke---

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  5. BOAH! Da musst Du mal erst den Durchblick haben! Faszinierend und erschreckend zugleich! Danke für den Überblick :o) TRÖÖÖT! LÄRM! *aber sonst unauffällig bleibt*

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  6. HELAU und ALAAF brüll ;-))) *mitSCHEREbewaffnetindie"2014"RINDEstööörze*

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    1. HUCH, mon angerl, HEUT sind Sie ja auch wieder schnippschnappend unterwegs! Kinders, wie die Zeit vergeht! TRÖÖÖÖÖÖT!

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  7. Hier herrscht leider nur der narrische rheinische Frohsinn, dem ich leider so gar nichts abgewinnen kann ... aber die Bilder sind klasse, toller Bericht, auch nach 2 Jahren noch lesenswert ,-)

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  8. HELAU + bleibt immer aktuell !!! *♥FREU*

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